Montag, 28. Juli 2014

Ich hab es nicht gewollt


Hey Phelix,


Phelix und ich 2009
ich weiß noch, wo ich dich das erste Mal gesehen hab. Es war vor 6 Jahren. Es war mein erster Einsatz in Uganda. Du hast gestrahlt, du warst glücklich. Und ich konnte es nicht verstehen: wie kann jemand, der in so einem armen Land lebt, so glücklich sein? Zwei Wochen lang hab ich dich beobachtet, jeden Tag mit dir gearbeitet. Dann hab ich es nicht ausgehalten. Ich wollte sehen, wie du lebst. Wir sind zu deinem Haus, welches du gemietet hast. Ein Raum, zwei Betten hinter einem Vorhang. Ein paar Töpfe, ein Sack mit Kohle, ein kleines Radio, ein paar Poster an der Wand. Das war alles. Deine Frau hat draussen gekocht. Du hast uns willkommen geheißen, wir haben uns umgeschaut, ein paar Bilder gemacht und wieder gegangen. Für dich blieb wahrscheinlich nur die Erinnerung, ein paar Weiße im Haus gehabt zu haben. Und ich hatte immer noch den Gedanken: wie kann jemand, der so arm ist, so glücklich sein? Dann war unser Einsatz auch schon zu Ende und ich bin zurück nach Hause.
2009 bei unserem 2. Einsatz in Uganda


Etwas blieb uns als Team noch in Erinnerung. Du sprachst von einer Bibelschule. Ob wir dir nicht helfen könnten. Und wir haben es versucht. Ich weiß nicht, wie viel Semester du gelernt hast, aber irgendetwas ist schief gelaufen. Die Schulgebühren wurden nicht bezahlt, du wurdest verdächtigt das Geld anders verbraucht zu haben, man hat dich an der Bibelschule wieder abgemeldet und den Job, den du in der Zeit hattest, wurde dir gekündigt. Jetzt warst du auf der Strasse, konntest deine Familie nicht versorgen. Wann immer ich in Uganda war, du wolltest mich sehen. Und du warst immer noch so freundlich und glücklich. Aber du hast auch geweint. Die Last der Armut, kein Job, Frau und inzwischen 4 kleine Kinder, es war nicht leicht für dich.

Und glaub mir, ich wollte dir immer helfen. Jedes mal lies ich dir meine T-Shirts, mein Shampoo, ein paar Handtücher und meine Socken.

Phelix mit dem nagelneuen Motorrad
Als wir jetzt nach Uganda zogen haben wir uns zusammengesetzt und nochmal darüber geredet, wie ich dir am besten helfen kann. Wir hatten die Idee mit dem Motorrad. Du könntest dir mit dem Motorrad-Taxi deinen Lebensunterhalt verdienen und das Motorrad abbezahlen. Nach anderthalb Jahren würde es dir gehören. Ende Mai bin ich mit dir dann zum Händler gefahren, hab es mit dir gemeinsam ausgesucht. Du warst der erste, der es gefahren hat. Du hast wieder neuen Mut gefasst, hast eine Perspektive gehabt, konntest wieder deine Familie versorgen. 

Was dann an dem einen Samstag passierte ist unfassbar. Du hast mir noch vormittags die 50.000 Shilling auf der Bank hinterlegt. Abends hast du dann noch einen Kunden gefahren. Es war dunkel. Als er dich anhielt, um abzusteigen, hat er nicht bezahlt, sondern dich mit einem Messer am Kopf verletzt. Du wurdest brutal zusammengeschlagen. Man hat dir das Motorrad abgenommen und dich einfach im Straßengraben liegen gelassen. Es tut mir so Leid. Am Sonntag Morgen erhielt ich die Nachricht, dass du im Krankenhaus bist. Ich hab mich sofort angezogen und bin zu dir gefahren. Du warst kaum ansprechbar, hast Schmerzen gehabt. Ich hab dich noch gefragt: "Hey Phelix, how are you?" "I´m fine", hast du gesagt. Jetzt weiß ich, was du gemeint hast. Du warst bereit zu gehen. Ich hab es versucht dir auszureden. "No, you are not fine. I´m praying for you." Aber du hast nicht auf mich gehört. Du bist gegangen. Für immer. Sorry Phelix, ich hab es so nicht gewollt. Deine Frau und deine Kinder weinen um dich. Wir alle weinen um dich. 


Jetzt haben wir deinen Körper beerdigt. Du bist für immer weg. Was bleibt, ist die Erinnerung an dein lächeln, die Art, wie du gesprochen hast. Ich werde es nicht vergessen.


Und noch was, Phelix: ich hab mir versprochen für deine Frau und deine Kinder zu sorgen. Ich weiß, alles was ich tun werde, kann dich nicht ersetzen. Aber ich werde alles dransetzen, damit es ihnen gut geht. 


Ich weiß du hast es jetzt besser, wie wir alle. Und es dauert noch ein bisschen, bis wir uns sehen. Ich hab hier noch einiges zu erledigen. 


Wir sehen uns,

Willy

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